25.3276Motion
Familienmitzugsrecht. Gesetzliche Grundlage schaffen oder abschaffen

Grund des Vorstosses:

Im Verfahren 2C_273/2023 hatte das Bundesgericht zu entscheiden, ob eine 17-jährige Schweizerin, die ihr ganzes Leben in der Türkei verbracht hatte, beim Umzug in die Schweiz ihre türkische Mutter «mitziehen» könne. Das Bundesgericht bejahte dies gestützt auf Art. 14 BV und Art. 8 EMRK und orientierte sich dabei an den Kriterien für den (umgekehrten) Familiennachzug. Demnach ist der Familiennachzug möglich, wenn keine ordnungs- oder sicherheitspolizeilichen Gründe dagegen sprechen (BGE 137 I 247). Ausgeblendet hat das Bundesgericht den Umstand, dass der Gesetzgeber bis dato darauf verzichtet hat, für solche Fälle ein Aufenthaltsrecht vorzusehen, was der Bundesrat ausdrücklich bestätigt hat (24.7566).

 

Es ist Sache des Gesetzgebers und nicht des Bundesgerichts, darüber zu befinden, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen ein Familienmitzugsrecht gewährt wird. Unabhängig davon überzeugt es auch inhaltlich nicht, dass sich das Bundesgericht am umgekehrten Familiennachzug orientiert hat: Dabei geht es um die Frage, ob dem sorge- und obhutsberechtigten ausländischen Elternteil (insbesondere nach Scheidung vom aufenthaltsvermittelnden Ehegatten) der weitere Verbleib im Land zu gestatten ist, damit das Schweizer Kind nicht gezwungen wird, mit ihm auszureisen. Beim Familienmitzug geht es demgegenüber um die Neubegründung des Aufenthalts des ausländischen Elternteils in der Schweiz. Während das Kind also bei Verweigerung des Mitzugs in seinem bisherigen Umfeld verbleibt, zieht es bei Verweigerung des umgekehrten Familiennachzugs in ein neues Umfeld, das ihm sprachlich und kulturell nicht vertraut ist. Unter dem Aspekt der für das Kindswohl massgeblichen Verwurzelung stellt sich die Verweigerung des umgekehrten Familiennachzugs somit als deutlich sensitiver dar als die Verweigerung des Familienmitzugs.

 

Vor diesem Hintergrund drängt sich eine gesetzliche Regelung des Familienmitzugs auf. Sollte die Bundesversammlung darauf verzichten, darf ein Familienmitzug künftig zufolge qualifizierten Schweigens des Gesetzgebers nicht mehr gewährt werden.

Antwort des Bundesrates:

In den vom Motionär erwähnten Fällen geht es darum, dass ein minderjähriges Schweizer Kind gestützt auf das Recht auf Achtung des Familienlebens und einer entsprechenden Interessenabwägung für einen ausländischen Elternteil ein Aufenthaltsrecht in der Schweiz geltend machen kann (Art. 13 und 24 Abs. 2 BV und Art. 8 EMRK). In diesen seltenen Fällen sieht das Ausländer und Integrationsgesetz (AlG, SR 142.20) die Möglichkeit vor, eine Aufenthaltsbewilligung aus Härtefallgründen zu erteilen. Die Erteilung einer entsprechenden Aufenthaltsbewilligung durch die Kantone unterliegt der Zustimmung durch das SEM (Art. 30 Abs. 1 Bst. b AIG i.V.m. Art. 8 EMRK und Art. 3 Bst. f Verordnung des EJPD über die dem Zustimmungsverfahren unterliegenden ausländerrechtlichen Bewilligungen und Vorentscheide [SR 142.201.1]). Die Schaffung einer zusätzlichen gesetzlichen Regelung ist daher nicht sinnvoll und auch nicht erforderlich.

 

Im Übrigen ist die Bundesversammlung auf die Vorlage zur parlamentarischen Initiative 19.464 Barrile «Beseitigung und Verhinderung der Inländerinnen- und Inländerdiskriminierung beim Familiennachzug» im Rahmen der Herbstsession 2024 (SR) und Frühjahrsession 2025 (NR) nicht eingetreten. Die parlamentarische Initiative wollte den Familiennachzug durch Schweizer Staatsangehörige auch in aufsteigender Linie erleichtern.

Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.

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