Der Bundesrat wird beauftragt, die einschlägigen Gesetzesbestimmungen anzupassen und alle notwendigen Massnahmen zu ergreifen, damit sowohl ordentliche als auch erleichterte Einbürgerungen nur dann erfolgen, wenn sämtliche formellen und materiellen Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind.
Grund des Vorstosses:
Mit der Totalrevision des Bürgerrechtsgesetzes vom 20. Juni 2014 (BüG) wollte der Gesetzgeber das Einbürgerungsrecht in verschiedener Hinsicht bewusst verschärfen (BBl 2011 2825).
Dennoch hielt das Bundesgericht an der bisherigen, unter altem Recht entwickelten Praxis fest. Demnach muss die Verweigerung der Einbürgerung im Rahmen einer Gesamtschau stets verhältnismässig sein, dies auch ausserhalb der reinen, nicht abschliessend aufgezählten Integrationskriterien von Art. 12 Abs. 2 BüG (BGE 146 I 49 E. 4.3; 135 I 49 E. 6.1).
Beispielhaft dafür ist der medienträchtige Thurgauer Fall eines Syrers, der von der Gemeinde und vom Kanton nicht eingebürgert wurde, weil er wegen Schulden das kantonale Einbürgerungskriterium der «geordneten finanziellen Verhältnisse» nicht erfüllte (Urteil des Bundesgerichts 1D_5/2022 vom 25. Oktober 2023, E. 6). Gleiches gilt für das jüngst in öffentlicher Beratung ergangene Urteil im Schwyzer Fall eines strafrechtlich verurteilten Türken, der ebenfalls für grosses Aufsehen sorgte (Urteil 1C_350/2024 vom 21. Mai 2025). Das Bundesgericht entschied in beiden Fällen, dass die ansonsten erfüllten Einbürgerungskriterien im Gesamten zu betrachten seien, weshalb eine Einbürgerung trotz eines nicht erfüllten Kriteriums zu erfolgen habe.
Damit hat das Bundesgericht de facto ein Kompensationsmodell geschaffen. Dadurch kann z.B. die Straffälligkeit durch gute Sprachkompetenzen ausgeglichen werden. Genau das widerspricht aber der von der Bundesversammlung im Jahr 2014 beabsichtigten Verschärfung der Einbürgerungsvoraussetzungen: Sie wird mit dieser Rechtsprechung schlicht ausgehebelt.
Deshalb bedarf es einer gesetzlichen Klarstellung, dass sämtliche formellen und materiellen Einbürgerungsvoraussetzungen in jedem Fall kumulativ erfüllt sein müssen. Das bezieht sich sowohl auf kantonale wie auch auf eidgenössische Kriterien, womit die politische Hoheit der Kantone gewahrt wird. Ist eine einzige dieser Voraussetzungen nicht erfüllt, darf keine Einbürgerung erfolgen.
Antwort des Bundesrates:
In den vom Motionär genannten Urteilen korrigierte das Bundesgericht die Rechtsanwendung in zwei Einzelfällen.
Dem Urteil des Bundesgerichts 1D_5/2022 vom 25. Oktober 2023 lag eine von den kommunalen Behörden verweigerte ordentliche Einbürgerung zugrunde. Die zuständige Einbürgerungskommission hatte das Gesuch mit der Begründung abgelehnt, es fehle dem Gesuchsteller sowohl an geordneten finanziellen Verhältnissen als auch an der geforderten Teilnahme am Wirtschaftsleben. Das Bundesgericht kam jedoch zum Schluss, dass die kommunalen Behörden die persönlichen Verhältnisse des Gesuchstellers unzureichend berücksichtigten, den Sachverhalt einseitig würdigten und es unterliessen, eine umfassende Gesamtbetrachtung vorzunehmen. Diese unzulängliche Sachverhaltswürdigung führte aus Sicht des Bundesgerichts zu einer willkürlichen Verweigerung der Einbürgerung. Infolgedessen hiess es die Beschwerde gut und wies die kommunalen Behörden an, dem Gesuchsteller das Gemeindebürgerrecht zu erteilen.
Im Urteil 1C_350/2024 vom 21. Mai 2025 hatte das Bundesgericht über die vom Staatssekretariat für Migration (SEM) verweigerte Einbürgerungsbewilligung zu befinden. Das SEM hatte das Gesuch gestützt auf die langjährige Praxis im Umgang mit Strafregistereinträgen abgelehnt. Der Gesuchsteller wurde zu einer bedingten Geldstrafe von 40 Tagessätzen verurteilt. Dieses Strafmass stellt gemäss der bisherigen Praxis des SEM bis zum Ablauf der Probezeit und einer zusätzlichen Wartefrist von drei Jahren ein Einbürgerungshindernis dar. Gemäss dem Urteil des Bundesgerichts ist bei der Beurteilung, ob eine einbürgerungswillige Person erfolgreich integriert ist, die Fokussierung auf ein einziges Kriterium jedoch nur dann zulässig, wenn diese bereits für sich allein entscheidend ins Gewicht fällt. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn eine erhebliche Straffälligkeit vorliegt. Andernfalls ist eine Gesamtwürdigung aller massgeblichen Gesichtspunkte vorzunehmen. Angesichts der einmaligen Straffälligkeit und der relativ milden Verurteilung des Gesuchstellers wäre deshalb eine Gesamtwürdigung vorzunehmen gewesen, weshalb das Bundesgericht die Sache zur ergänzenden Abklärung an das SEM zurückwies.
Im ersten Entscheid wurde die kommunale Praxis im Zusammenhang mit der Beurteilung des finanziellen Leumunds und der wirtschaftlichen Selbsterhaltungsfähigkeit beanstandet. Im zweiten Entscheid wurde die Praxis des SEM beanstandet, bei einer einmaligen, relativ milden Verurteilung keine Gesamtwürdigung vorzunehmen. Daraus lässt sich nach Auffassung des Bundesrats jedoch keine generelle Lockerung der materiellen Einbürgerungsvoraussetzungen ableiten, die eine Änderung des Bürgerrechtsgesetzes (SR 141.0) notwendig machen würde.
Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.