25.3881Interpellation
Herausforderungen und Folgewirkungen der Individualbesteuerung im Steuer- und Sozialrecht

Antwort des Bundesrates:

Frage 1: Massgebend für die Zuteilung von Einkommens- und Vermögensbestandteilen sind die zivilrechtlichen Verhältnisse. Das bedeutet, dass jede Person die Einkünfte und Vermögensbestandteile versteuert, die ihr gemäss den zivilrechtlichen Verhältnissen zufallen. Dafür haftet auch jeder Ehegatte separat. Wenn ein Ehegatte dem anderen einen Vermögenswert zur Nutzniessung überlässt, hat der nutzniessende Ehegatte diesen zu versteuern und haftet dafür.

 

Fragen 2 bis 5: Bei der Veranlagung der direkten Bundessteuer handelt es sich um ein gemischtes Verfahren. Die Veranlagungsbehörden stellen zusammen mit den steuer-pflichtigen Personen die für eine vollständige und richtige Besteuerung massgebenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse fest. Dabei kommen der steuerpflichtigen Person umfassende Mitwirkungspflichten zu: Sie hat die wahrheitsgemäss und vollständig ausgefüllte Steuererklärung zusammen mit den vorgeschriebenen Belegen fristgerecht einzureichen und auf Verlangen mündlich Auskunft zu erteilen sowie Geschäftsbücher, Belege und weitere Bescheinigungen und Urkunden über den Geschäftsverkehr vorzulegen. An diesen Bestimmungen ändert sich mit der Individualbesteuerung nichts. Ehegatten sind bereits heute aufgrund des Zivilrechts verpflichtet, dem anderen Ehegatten Auskunft über Einkommen, Vermögen und Schulden zu erteilen. Dies ermöglicht Ehegatten, ihren Pflichten im Veranlagungsverfahren nachzukommen.

 

Es obliegt den kantonalen Steuerbehörden, im Einzelfall bei den Ehegatten die notwendigen Untersuchungen vorzunehmen, wobei sie auch Quervergleiche vornehmen können. Bereits heute finden Quervergleiche von Steuerdossiers durch die Veranlagungsbehörden statt, z. B. bei getrennt lebenden Ehepaaren oder bei unverheirateten Eltern. So wird beispielsweise ein Abgleich von Unterhaltsleistungen und Kinderabzug vorgenommen. Sind mehrere Steuerhoheiten betroffen, erteilen sich die Steuerbehörden im Rahmen der Amtshilfe gegenseitig die benötigten Auskünfte. Stellt die Steuerbehörde neue Tatsachen fest oder entdeckt sie neue Beweismittel, kann sie unter Umständen auch eine bereits rechtskräftige Veranlagung revidieren oder die aufgrund einer unterbliebenen oder unvollständigen Veranlagung nicht erhobene Steuer nachfordern.

 

Die Veranlagung erfolgt schliesslich für beide Ehegatten separat und wird auch separat eröffnet. Dies gilt auch für das Einspracheverfahren, in welchem die Steuerbehörden dieselben Befugnisse haben wie im Veranlagungsverfahren.

 

Fragen 6 und 8: Der Zivilstand hat heute unter anderem Einfluss auf die Leistungen aus den Sozialversicherungen, insbesondere in der AHV/IV, der beruflichen Vorsorge, der Unfallversicherung und der Militärversicherung. Ebenso hat er Einfluss auf Transferleistungen (z. B. Krankenkassenprämienverbilligungen, Stipendien) und die Kirchensteuer. Diese Rechtsgebiete knüpfen an die Ehe als Wirtschaftsgemeinschaft an und werden durch das Gesetz über die Individualbesteuerung nicht geändert. Würde insbesondere bei den Transferleistungen ebenfalls auf die individuellen Verhältnisse abgestellt, würde der Arbeitsanreiz der Individualbesteuerung unterlaufen, indem beispielsweise die nicht oder zu einem tiefen Pensum erwerbstätige Person Anspruch auf Krankenkassenprämienvergünstigungen hätte.

 

Durch die Individualbesteuerung ergibt sich aus Sicht des Bundesrates kein rechtlicher Druck, im Sozialrecht von der Haushalts- zur Individualbetrachtung überzugehen. Der Bundesrat verweist aber auf den Bericht zum überwiesenen Postulat 21.4430 «Auswirkungen einer zivilstandsunabhängigen Altersvorsorge» (https://www.bsv.admin.ch/bsv/de/home/publikationen-und-service/forschung/forschungspublikationen.exturl.html?lang=de&lnr=04/24#pubdb), das den Bundesrat beauftragte, die Folgen der Einführung einer individuellen, vom Zivilstand unabhängigen Altersvorsorge aufzuzeigen.

 

Frage 7: Bei der Individualbesteuerung stellen die Steuern keinen Faktor dar für den Entscheid zu heiraten oder nicht. Eine verheiratete Person bezahlt gleich viele Steuern wie eine unverheiratete Person in gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen.

 

Fragen 9 und 10: Es ist unbestritten, dass eine unterschiedliche Besteuerung zwischen Bund und Kantonen für die Steuerbehörden und Steuerpflichtigen verwaltungsökonomisch kaum zu bewältigen wäre. Schon aus diesem Grund ist die Individualbesteuerung auf allen drei Staatsebenen einzuführen. Dies wird zwar zu einem einmaligen Einführungsaufwand für die Kantone führen. Dafür wird ihnen aber eine angemessene Umsetzungsfrist gewährt. Diese Frist wird die üblichen zwei Jahre überschreiten, jedoch höchstens sechs Jahre betragen. Dem verfassungsrechtlichen Subsidiaritätsprinzip (Art. 5a BV) wird dadurch Rechnung getragen, dass das Steuerharmonisierungsgesetz (SR 642.14) den Kantonen bei der Umsetzung Spielraum belässt. Ausserdem bleiben sie für den Vollzug verantwortlich.

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