Der Bundesrat wird beauftragt, dem Parlament eine Vorlage zu unterbreiten, die die Einführung einer Durchfahrtsabgabe (DA) für motorisierte Fahrzeuge vorsieht, welche die Schweiz auf dem Strassenweg von einem Nachbarstaat in einen anderen durchqueren und keinen völkerrechtlichen Anspruch auf entsprechende Rechte haben.
Die DA betrifft den Strassentransitverkehr, d. h. die Durchfahrt eines Fahrzeugs, das aus einem Nachbarstaat in die Schweiz einreist und in einen anderen Nachbarstaat wieder ausreist, ohne wesentlichen Aufenthalt im Inland. Ausgenommen sind Fahrzeuge, die gestützt auf völkerrechtliche Vereinbarungen, namentlich das FZA oder das LVA, Anspruch auf Befreiung von solchen Abgaben haben.
Die Höhe der DA soll einen Lenkungscharakter haben und sich nach der Verkehrsdichte sowie nach Tageszeit und Wochentag richten. Ziel ist es, die Spitzenbelastung auf dem Nationalstrassennetz infolge Transitverkehrs zu reduzieren, insbesondere entlang der Nord-Süd-Achsen.
Das Aufkommen aus der DA ist zweckgebunden und fliesst in den Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF).
Grund des Vorstosses:
Gemäss Art. 82 Abs. 3 BV ist die Benützung öffentlicher Strassen grundsätzlich gebührenfrei, wobei die Bundesversammlung Ausnahmen bewilligen kann. Art. 84 Abs. 1 BV verpflichtet den Bund, das Alpengebiet vor den negativen Auswirkungen des Transitverkehrs zu schützen und dessen Belastung auf ein für Mensch, Tier, Pflanzen und Lebensräume unschädliches Mass zu begrenzen.
Die DA dient diesem verfassungsmässigen Ziel, indem sie den blossen Transitverkehr ohne nennenswerten Nutzen für die Schweiz weniger attraktiv macht und gleichzeitig zur Reduktion der Staustunden auf Nationalstrassen beiträgt.
Die DA steht im Einklang mit den internationalen Verpflichtungen der Schweiz. Das FZA regelt das Recht auf Einreise, Aufenthalt und Erwerbstätigkeit von Personen, nicht jedoch den blossen Transit. Das LVA betrifft die Liberalisierung des Güter- und Personenverkehrsmarktes, nicht aber den privaten Individualverkehr. Die DA richtet sich ausdrücklich an den privaten Transitverkehr, der nicht unter das Abkommen fällt, und verletzt dabei nicht das Diskriminierungsverbot.
Antwort des Bundesrates:
Der Bundesrat hat grosses Verständnis für die Herausforderungen der vom alpenquerenden Durchgangsverkehr belasteten Kantone. Er hat deshalb verschiedene Massnahmen ergriffen, um den Verkehrsfluss auf den Nationalstrassen zu verbessern und die betroffene Bevölkerung vor Ausweichverkehr zu schützen. Diese Massnahmen umfassen unter anderem die grossräumige Realisierung von Geschwindigkeitsharmonisierungsanlagen, die Verlängerung und Dosierung von Autobahnausfahrten sowie die Umsetzung gemeinsamer Verkehrskonzepte mit den betroffenen Kantonspolizeien. Weitere Massnahmen hat der Bundesrat in seinem Bericht in Erfüllung des Postulates 22.4044 Stadler geprüft.
Der Einführung einer verkehrsabhängigen Durchfahrtsabgabe steht der Bundesrat kritisch gegenüber, auch wenn diese nicht in Widerspruch mit den Abkommen zwischen der Schweiz und der EU stehen würde. Die Einführung einer solchen Abgabe für die Nutzung öffentlicher Strassen bedarf nach Einschätzung des Bundesrats jedoch einer Verfassungsänderung (Artikel 82 Absatz 3 BV). Die Möglichkeit einer Ausnahmebewilligung durch die Eidgenössischen Räte ist in diesem Fall nicht gegeben. Bei der Durchfahrtsabgabe handelt es sich um eine flächige Gebührenerhebung, die über einzelne, bestimmte Bauwerke oder Strecken hinausgeht.
Der Bundesrat sieht für die Umsetzung der Motion eine Reihe erheblicher, administrativer Hürden. Eine Besteuerung der motorisierten Fahrzeuge, die die Schweiz auf dem Strassenweg von einem Nachbarstaat in einen anderen durchqueren, würde faktisch die Überwachung sämtlicher Grenzübergänge in der Schweiz bedingen. Eine solche wäre sehr aufwändig und kostenintensiv. Auch die Frage nach der «Wesentlichkeit» eines Aufenthalts dürfte kaum für alle denkbaren Durchgangsverbindungen abschliessend beantwortet werden können.
Der Bundesrat lehnt aus diesen Überlegungen die Einführung einer Durchfahrtsabgabe ab.
Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.