Postulat Schmid Pascal. Strafjustiz entlasten. Landesverweisungen den Migrationsbehörden übertragen?

Landauf, landab wird die Überlastung der Strafjustiz beklagt. Strafverfahren dauern immer länger, und Staatsanwaltschaften und Gerichte kommen nicht mehr nach. Gleichzeitig bleiben sehr viele Beschuldigte jahrelang im Ungewissen, und das ist auch kein angenehmer Zustand. Das alles hat mehrere Ursachen. Mit der eidgenössischen Strafprozessordnung wurden die Parteirechte der Täter sehr stark ausgebaut. Gleichzeitig hat die Kriminalität in den letzten Jahren massiv zugenommen. Und Sie wissen es, wir haben die Zahlen ja heute oft gehört, 58 Prozent der Täter sind Ausländer, und das alles führt zu mehr Verfahren, in denen die Landesverweisung zu überprüfen ist. Es muss ja immer überprüft werden, ob sie angeordnet wird oder nicht. Hinzu kommt ein weiterer Punkt. Die heutige Landesverweisung wurde im Zuge der Umsetzung der Ausschaffungs-Initiative im Jahr 2016 eingeführt. Seither werden Landesverweisungen im Strafverfahren ausgesprochen. Früher war das nicht so. Früher war der Entzug des Aufenthaltsrechts nach einer strafrechtlichen Verurteilung Sache der Migrationsbehörden. Und ganz früher, vor 2007, waren die Migrationsbehörden und die Strafjustiz parallel dafür zuständig. Bei der Umsetzung der Ausschaffungs-Initiative wurde eine grosse Diskussion darüber geführt, ob besser die Strafjustiz oder die Migrationsbehörden diese neuen Landesverweisungen anordnen und prüfen sollen.

Auf den ersten Blick ist die Zuständigkeit der Strafbehörden für alles in einem Verfahren, also strafrechtliche Verurteilung und Landesverweisung, sinnvoll und einleuchtend. Als Vorteil der neuen Lösung erhoffte man sich damals ja auch eine Beschleunigung der Verfahren. Das tönte auf den ersten Blick bestechend. Doch in der Praxis ist es nicht so herausgekommen, wie man sich das erhofft hat. Heute sind die Landesverweisungen einer der Hauptgründe für die chronische Überlastung der Strafjustiz.

Die Strafjustiz hat mit der Prüfung der Landesverweisung eine neue Aufgabe übernommen, die grossen Aufwand verursacht und eigentlich auch nicht so recht zu ihr passt, weil es sich ja nicht um Strafrecht, sondern um Migrationsrecht handelt. Es betrifft die Staatsanwaltschaften, die erstinstanzlichen Strafgerichte in allen Kantonen, aber auch die kantonalen Obergerichte und auch das Bundesgericht.

Ausländische Straftäter haben einen Anreiz, den gesamten Instanzenzug auszuschöpfen – und das auch dann, wenn sie die strafrechtliche Verurteilung anerkennen, aber einfach mit der Landesverweisung nicht einverstanden sind. Ich glaube, diesen Aspekt hat man unterschätzt. Das alles hat massive Verzögerungen und Verlängerungen der Verfahren zur Folge. Hinzu kommt, dass der Strafprozess stark formalisiert ist. Dort geht es ja auch um Schuld oder Unschuld. Die Parteirechte sind stark ausgebaut, weil niemand zu Unrecht verurteilt werden soll.

Der Strafprozess ist aber nicht unbedingt für den Entzug von Aufenthaltsbewilligungen geeignet. Es stellen sich auch immer wieder schwierige Abgrenzungsfragen bezüglich der Zuständigkeit. Ist eine Straftat der Grund für den Entzug der Aufenthaltsbewilligung, dann wird darüber im Strafprozess entschieden. Für andere Entzugsgründe sind die Migrationsbehörden zuständig. Das führt zu unterschiedlichen Praxen. Öffentlich-rechtliche und strafrechtliche Abteilungen gehen bis vors Bundesgericht, und das führt zu Rechtsunsicherheit – vor allem für die Behörden, aber auch für die betroffenen Anwälte.

Verkomplizierungen, Verlängerungen und Verteuerungen der Verfahren sind nicht das, was man sich gewünscht hat. Ich meine, deshalb lohnt es sich zu prüfen, ob eine Rückübertragung der Zuständigkeit zur Aufenthaltsbeendigung bei ausländischen Straftätern auf die Migrationsbehörden angezeigt ist.

Deshalb bitte ich Sie um Annahme des Postulates.

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