Der Bundesrat wird beauftragt, die gesetzlichen Grundlagen so anzupassen, dass Personen mit einem rechtskräftigen Landesverweis oder einer rechtkräftigen Wegweisungsverfügung, die freiwillig aus der Schweiz ausgereist sind, bei einer späteren Wiedereinreise keinen Anspruch mehr auf Sozialhilfeleistungen haben.
Grund des Vorstosses:
Ein aktueller Fall aus der Gemeinde Kirchberg SG offenbart eine absurde, strukturelle Schwäche im geltenden Asyl- und Sozialhilferecht: ein straffälliger Flüchtling aus Eritrea, der aufgrund einer Katalogtat rechtskräftig Weg- oder des Landes verwiesen wurde, ist nach freiwilliger Ausreise ins Ausland erneut in die Schweiz eingereist – und bezieht hier heute erneut Sozialhilfe. Die Rückkehr nach einer Ausreise kann ihm aufgrund des Dublin-Systems nicht verwehrt werden und die Gemeinde ist verpflichtet, ihm Leistungen auszuzahlen, obwohl der Landesverweis weiterhin gilt.
Grund dafür ist eine gesetzliche Lücke: zwar verliert der Betroffene mit dem Landesverweis das Asylrecht, behält aber gemäss geltendem Recht (Asyl- / Ausländer- und Integrationsgesetz) weiterhin den Flüchtlingsstatus – und damit den vollen Anspruch auf Sozialhilfe.
Diese Situation ist in mehrfacher Hinsicht unhaltbar:
- Solche Fälle untergraben das Vertrauen in das Asylsystem und die Glaubwürdigkeit des Sozialstaats. Die Schweiz wird dadurch zur Anlaufstelle für wirtschaftlich motivierte Migration unter dem Deckmantel des Flüchtlingsschutzes.
- Gemeinden und Kantone sind machtlos und müssen teure Sozialleistungen finanzieren, ohne Handlungs- oder Informationsspielraum.
- Kriminelle, ausreisepflichtige Flüchtlinge werden gleichbehandelt wie Personen, die nach jahrzehntelanger Erwerbsarbeit unverschuldet in die Sozialhilfe geraten sind – das ist für die Bevölkerung nicht nachvollziehbar.
Deshalb muss diese Gesetzeslücke, welche der Person eine weltweite Hin- und Herreise nach Lust und Laune erlaubt, geschlossen beziehungsweise so unattraktiv wie möglich gemacht werden. Der Sozialhilfeanspruch darf nicht aufrechterhalten bleiben, wenn eine betroffene Person trotz gültigem Landesverweis freiwillig ausreist und später wieder einreist. Wenn diese Lücke bestehen bleibt, wird die Schweiz weiterhin ein Eldorado für wirtschaftlich motivierte Rückkehrmigranten sein.
Antwort des Bundesrates:
Mit einer rechtskräftigen Ausweisung oder Landesverweisung erlischt bei anerkannten Flüchtlingen die Aufenthaltsbewilligung, nicht jedoch die Flüchtlingseigenschaft (Art. 61 Abs. 1 Bst. d, e und f des Ausländer- und Integrationsgesetzes [AIG, SR 142.20]). Wie alle anderen von der Schweiz anerkannten Flüchtlinge haben sie basierend auf Artikel 23 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Flüchtlingskonvention, SR 0.142.30) Anspruch auf die gleiche Sozialhilfe wie die einheimische Bevölkerung (Art. 86 Abs. 1bis Bst. b AIG). Die Kantone erhalten für Personen mit Flüchtlingseigenschaft und rechtskräftiger Landesverweisung oder Ausweisung Pauschalen, die namentlich die Kosten für die Sozialhilfe decken und zudem einen Beitrag an die Betreuungs- und Verwaltungskosten enthalten (Art. 88 Abs. 3 des Asylgesetzes [AsylG, SR 142.31]).
Ob bei einer rechtskräftig angeordneten Landesverweisung auch die Flüchtlingseigenschaft entzogen werden kann, wird bereits heute in jedem Fall geprüft. Massgebend sind dabei die in der Flüchtlingskonvention abschliessend genannten Gründe (Art. 1 Bst. C Ziff. 1-6 Flüchtlingskonvention). So verliert eine Person etwa den Flüchtlingsstatus, wenn sie in den Heimat- oder Herkunftsstaat reist und sich freiwillig wieder unter den Schutz des Landes gestellt hat, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, oder wenn sie die verlorene Staatsbürgerschaft freiwillig wieder erworben hat. Ein weiterer Grund wäre der Erwerb einer neuen Staatsbürgerschaft, wodurch die Person den Schutz des neuen Heimatstaates geniessen würde. Auch können die Umstände weggefallen, welche zur Flüchtlingseigenschaft geführt haben. Eine Erweiterung dieser Aberkennungsgründe im nationalen Recht ist nicht zulässig. Das Asylgesetz verweist denn auch direkt darauf (Art. 63 Abs. 1 Bst. b AsylG). Wird aber einer Person mit einer rechtskräftigen Landesverweisung die Flüchtlingseigenschaft entzogen, so erhält sie bereits heute nur Nothilfe.
Eine Umsetzung der vorliegenden Motion würde daher im Falle von Personen mit rechtskräftiger Landesverweisung und Flüchtlingsstatus die völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz verletzen. Dies gilt auch bei einer freiwilligen Ausreise und einer erneuten Einreise in die Schweiz. Solche Fälle sind in der Praxis jedoch selten.
Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.