20.243115 Verschärfung des Jugendstrafrechts

Grund des Vorstosses:

Immer öfter begehen Jugendliche schwere Straftaten, die eine grosse kriminelle Energie offenbaren. Milde Urteile nach solchen Taten sorgen für Unverständnis bei der Bevölkerung. So hat das Bundesgericht im April 2023 ein Urteil gegen einen 17-jährigen Täter bestätigt, der in einem Zürcher Park einen älteren Mann zum Invaliden schlug. Der Täter erhielt eine bedingte Freiheitsstrafe von 4 Monaten. Eine schockierende Tat hat sich am 2. März 2024 in Zürich ereignet, als ein 15-jähriger Muslim mit Schweizerpass, der sich zur Terrororganisation Islamischer Staat bekennt, einen jüdischen Mitbürger mit Messerstichen lebensgefährlich verletzte. Auch dieses Verbrechen kann gemäss Jugendstrafgesetz nur mit einer Höchststrafe von 1 Jahr Freiheitsentzug geahndet werden, was auch Experten kritisieren. Es braucht im Jugendstrafrecht dringend verhältnismässige Strafen für schwere Straftaten. Dies insbesondere für Minderjährige, die sämtliche Systeme ausgereizt haben und Behandlungen sabotieren. Hier muss das Jugendstrafrecht glaubwürdig eingreifen – auch im Hinblick auf die Prävention.Unser Jugendstrafrecht – auch die aktuelle Revision – erfüllt diese Anforderungen nicht. Es trennt strikt zwischen über und unter 18-jährigen Tätern, ohne die Schwere der Straftat und kriminelle Energie zu berücksichtigen. Der maximale Freiheitsentzug (ab 16 Jahren) liegt gemäss Art. 25 Jugendstrafgesetz bei 4 Jahren – gegenüber beispielsweise 10 Jahren in Deutschland. Zudem werden zum Teil auch bei Gewaltverbrechen nur bedingte Strafen ausgesprochen. Wenn der Täter bei Einweisung in eine Vollzugseinrichtung (Heim) nicht kooperiert, soll der Strafvollzug in einem Gefängnis möglich sein. Der Täter soll in besonders schweren Fällen (Mord) nach dem Erwachsenenstrafrecht beurteilt werden können. Auch sollen bei besonders schweren und terroristischen Gewaltstraftaten Massnahmen nach Art. 59 und Art. 64 StGB sowie ein Landesverweis möglich sein.

Antwort des Bundesrates:

Der Bundesrat verurteilt die Attacke vom 2. März 2024 auf einen jüdischen Mann durch einen 15-jährigen islamistischen Attentäter in Zürich aufs Schärfste. Gewaltverbrechen wie dieses verpflichten die Politik, die Prinzipien und Zielsetzungen des Jugendstrafrechts in Erinnerung zu rufen (a) und zu prüfen, ob letztere die Erwartungen an ein Jugendstrafrecht insbesondere im Umgang mit jugendlichen Tätern mit hoher krimineller Energie nach wie vor erfüllen (b). (a) Die Sanktionen des Jugendstrafrechts verfolgen das Ziel, den verurteilten Jugendlichen von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten (Spezialprävention). Als Leitprinzipien im Vordergrund stehen die Erziehung und der Schutz des Jugendlichen (Art. 2 Abs. 1 Jugendstrafgesetz; JStG, SR 311.1). Der Vollzug einer Busse, einer persönlichen Leistung oder eines Freiheitsentzuges von bis zu 30 Monaten wird daher aufgeschoben, wenn dieser nicht notwendig erscheint, um Jugendliche von der Begehung weiterer Vergehen oder Verbrechen abzuhalten (Art. 35 JStG). Entscheidend sind weniger die Schwere der Tat oder das Verschulden, sondern vielmehr spezialpräventive, erzieherische und therapeutische Gesichtspunkte. Wie der Bundesrat bereits in seiner Stellungnahme zur Motion 13.3725 Fehr Hans «Verschärfung des Jugendstrafrechts» ausgeführt hat, würde es den Prinzipien und Zielsetzungen des geltenden Jugendstrafrechts widersprechen, wenn bei schweren Verbrechen generell unbedingte Strafen auszusprechen wären. Ob eine unbedingte Strafe notwendig erscheint, hat sich immer am konkreten Einzelfall zu orientieren. Muss eine Unterbringung nach JStG abgebrochen werden, weil – allenfalls aufgrund der Massnahmenresistenz des oder der Jugendlichen – der Zweck nicht erreicht worden ist oder nicht erreicht werden kann, kann bereits heute ein Freiheitsentzug angeordnet werden (Art. 32 JStG). Auf den ersten Blick mögen die jetzigen Strafandrohungen zwar tief erscheinen. Allerdings wird bei Jugendlichen, die beispielsweise ein schwer gestörtes Sozialverhalten aufweisen oder durch ihr Verhalten Dritte gefährden, eine Unterbringung (Art. 15 JStG) angeordnet; diese geht dem Vollzug der Strafe bzw. des Freiheitsentzuges voraus (Art. 32 JStG). Auch die Unterbringung stellt eine Freiheitsbeschränkung dar, die oftmals über Jahre hinweg dauert und spätestens mit der Vollendung des 25. Altersjahres endet. Die Unterbringung in einer – offenen oder geschlossenen – Einrichtung wird von den Jugendlichen häufig als strengere Bestrafung empfunden als der Freiheitsentzug nach Artikel 25 JStG. Schliesslich ist anerkannt, dass insbesondere Freiheitsstrafen Rückfälle jugendlicher Rechtsbrecher kaum verhindern können, sondern eher kontraproduktiv wirken. Demgegenüber sind erzieherische und therapeutische Massnahmen weit wirksamer für die Resozialisierung der Jugendlichen und die Verhinderung von Rückfällen – dies zeigt auch die tiefe Rückfallquote in der Schweiz. Aus diesem Grund ist das Jugendstrafrecht als Massnahmenstrafrecht konzipiert. Der Bundesrat erachtet es deshalb nicht als sachgerecht, Minderjährige nach dem Erwachsenenstrafrecht zu beurteilen. Schon aus diesem Grund ist die Motion abzulehnen. (b) Allerdings ist auch der Bundesrat beunruhigt über die kriminelle Energie gewisser jugendlicher Straftäter. Er prüft gegenwärtig in Erfüllung des Postulates 23.3205 Engler «Haben wir ein Problem mit Jugendkriminalität?» unter anderem die Wirksamkeit jugendstrafrechtlicher Sanktionen und ob gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht. Diesen Ergebnissen, aufgrund deren der Bundesrat seine Auffassung allenfalls revidieren würde, soll nicht vorgegriffen werden.Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.

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