Der Bundesrat wird beauftragt, der Bundesversammlung die erforderlichen Gesetzesänderungen zu unterbreiten und alle nötigen Massnahmen zu ergreifen, damit- Personen, die über sichere Drittstaaten einreisen, an der Grenze ohne Asylverfahren zurückgewiesen werden können;- auf Asylgesuche von Personen, die über sicherer Drittstaaten eingereist sind, nicht eingetreten wird.
Grund des Vorstosses:
Asylsuchende durchqueren regelmässig mehrere sichere Staaten, bevor sie ihr Asylgesuch einreichen. Sie lassen sich dabei vor allem von wirtschaftlichen Aspekten und attraktiven Sozialleistungen leiten. Bei der Einreise in die Schweiz handelt es sich also keineswegs um die letzte Möglichkeit von Asylsuchenden, um ihr Überleben zu sichern und um Schutz vor individueller Verfolgung zu erlangen. Es geht vielmehr darum, ein Land wählen, in dem sie sich ein weniger hartes Leben aufbauen können als in ihrem Herkunftsstaat oder einem anderen durchreisten Drittstaat. Um dies zu korrigieren, ist die Sekundärmigration im Asylbereich einzudämmen. Asylgesuche von Migranten, die über sichere Drittstaaten einreisen, sind zu unterbinden. Deshalb sollen künftig Personen, die über sichere Drittstaaten einreisen wollen, an der Grenze ohne Asylverfahren zurückgewiesen werden. Gleichzeitig ist auf Asylgesuche von Personen, die über sichere Drittstaaten bereits eingereist sind, nicht mehr einzutreten. Mit den beantragten Anpassungen erhält die Schweiz ein griffiges Mittel, um der Praxis anderer Staaten ein Ende zu setzen, die ihre Augen vor der Durchreise von Asylsuchenden verschliessen und sie – unter Verletzung ihrer internationalen Pflichten – nicht registrieren, um nicht als Erstaufnahmeland zu gelten. Zugleich kann damit die Attraktivität der Schweiz als Zielland verringert werden. Die beantragten Änderungen stehen im Einklang mit der Genfer Flüchtlingskonvention, welche keineswegs die freie Wahl des Aufnahmelandes zulässt. Sie schützt lediglich Flüchtlinge, die unmittelbar aus einem Staat einreisen, in dem ihr Leben oder ihre Freiheit bedroht wird, was bei sämtlichen Nachbarstaaten der Schweiz offensichtlich nicht der Fall ist.
Antwort des Bundesrates:
Die Motion verlangt Massnahmen an den Grenzen (Einreiseverweigerung), was dort entsprechende Kontrollen voraussetzt. Konkret müsste dafür jede Person an der Grenze kontrolliert werden. Ohne die Schengen-rechtlichen Verpflichtungen zu verletzen, könnte das Anliegen der Motion an den Aussengrenzen (Flughäfen) umgesetzt werden. Grenzkontrollen an den Binnengrenzen sind hingegen gemäss dem Schengener Grenzkodex grundsätzlich unzulässig. Die Schweiz ist allerdings nicht Mitglied der europäischen Zollunion. Das Bundesamt für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) kann deshalb grundsätzlich an allen Grenzen und im Inland Zollkontrollen durchführen. Bei diesen Zollkontrollen oder bei Vorliegen eines polizeilichen Verdachts führt das BAZG auch Personenkontrollen durch. Die Kontrollen erfolgen risikobasiert und lageabhängig. Wird ein Asylgesuch gestellt, ist festzulegen, wer für dessen Bearbeitung zuständig ist. Laut Stellungnahme zur Motion 24.3056 Fraktion der Schweizerischen Volkspartei «Asylsuchende, die ein sicheres Land durchqueren, sind keine Flüchtlinge» tritt das Staatssekretariat für Migration (SEM) nicht auf das Asylgesuch ein, wenn die betroffene Person zu einem Drittstaat einen engeren Bezug als zur Schweiz hat (vgl. Art. 31a Abs. 1 Bst. a – e AsylG; SR 142.31). Konkret: Kann die Person in einen sicheren Drittstaat oder in einen Drittstaat zurückkehren, in dem sie sich vorher aufgehalten hat (Bst. a und c), in einen (Dublin-) Staat ausreisen, der für die Durchführung des Asyl- und Wegweisungsverfahrens zuständig ist (Bst. b), oder in einen Drittstaat weiterreisen, für den sie ein Visum besitzt oder in dem enge Bezugspersonen leben (Bst. d und e), so prüft das SEM die Voraussetzungen für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht. Es ordnet den Vollzug der Wegweisung der asylsuchenden Person in den Drittstaat an, wenn dieser deren Aufnahme gewährleistet und Schutz vor Rückschiebung bietet, wovon bei sicheren Drittstaaten ausgegangen wird (Art. 31a Abs. 2 AsylG).Diese Gesetzesbestimmungen zur Einschränkung der freien Wahl des Aufnahmelands sind mit den Anforderungen der Flüchtlingskonvention (FK; SR 0.142.30) vereinbar, welche die Nichtprüfung eines Asylgesuchs und die Wegweisung in einen Staat erlaubt, der Schutz vor Rückschiebung gewährleistet. In seiner Stellungnahme zum Postulat 18.3930 Damian Müller «Anpassung der Flüchtlingskonvention von 1951» hat der Bundesrat dargelegt, dass es nicht Zweck der Flüchtlingskonvention ist, Migrationsbewegungen zu steuern, und dass sie eines der wichtigsten internationalen Rechtsinstrumente für den Flüchtlingsschutz ist. Im Postulatsbericht hält der Bundesrat fest, dass die Flüchtlingskonvention nicht bestimmt, welcher Staat für die Behandlung eines Asylgesuchs zuständig ist. Ebenfalls enthält sie keine Regelung, wie sich die Verantwortung für Asylsuchende oder für Flüchtlinge auf die Staaten verteilt. Sie gebietet aber die Einhaltung des Non-Refoulement-Prinzips (Art. 33 FK), wonach kein Flüchtling in einen anderen Staat ausgeschafft werden darf, in dem ihm Verfolgung droht. Aufgrund des zwingenden Charakters dieses Gebots ist die entsprechende Refoulement-Gefahr vor einer Abschiebung stets zu prüfen, wenn ein Schutzbegehren gestellt wird. Der Schutz durch die Flüchtlingskonvention ist also nicht an die Bedingung geknüpft, dass die asylsuchende Person direkt aus dem Staat kommt, in dem sie der Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt ist. Weder im Rahmen der Definition des Flüchtlingsbegriffs noch bei den Ausschlussgründen der Flüchtlingskonvention ist vorgesehen, dass Personen, welche einen sicheren Staat durchquert haben, von der Flüchtlingseigenschaft ausgeschlossen werden können (vgl. auch Stellungnahme zur Motion 24.3056).Dasselbe gilt im Übrigen auch hinsichtlich des in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK; SR 0.101) verankerten Non-Refoulement-Gebots. Dessen Schutzbereich umfasst alle Menschen und schützt vor Abschiebung in einen Staat, in dem ein reales Risiko besteht, dass die betroffene Person Folter oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung ausgesetzt wird (vgl. Art. 3 EMRK). Diese Vorgaben sind auch in der Bundesverfassung verankert (Art. 25 Abs. 2 und 3 BV). Es widerspricht somit der EMRK und BV, wenn von einem entsprechenden Schutzbegehren – sei es nun an der Grenze oder im Inland gestellt worden – keine Notiz genommen würde und die Person ohne Prüfung der einschlägigen Non-Refoulement-Gefahren zurückgewiesen würde, auch wenn sie aus einem sicheren Drittstaat einreist.Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.