20.244591 Jede Vergewaltigung ist eine Vergewaltigung. Es darf keine “Vergewaltigung light” geben. Einheitliche Mindeststrafe einführen

Grund des Vorstosses:

«Nur Ja heisst Ja» lautete das Motto einer lautstarken Bewegung, mit SP Schweiz und Amnesty International an vorderster Front. Ihr Ziel war es, die Vergewaltigung auf Fälle auszudehnen, bei denen das Opfer nicht (physisch oder psychisch) genötigt wird.Nach längeren Debatten wurde das Anliegen aufgenommen. Dagegen ist nichts einzuwenden. Störend ist jedoch die bei der Umsetzung an den Tag gelegte Inkonsequenz beim Strafmass. Denn dort verliess dieselben Kreise, welche die Ausdehnung der Vergewaltigung einforderten, der Mut.Neu gibt es quasi eine «Vergewaltigung light» (Abs. 1 StGB), die ohne Gewalt und ohne Nötigung, aber dennoch gegen den Willen des Opfers geschieht. Eine Mindeststrafe ist dort nicht vorgesehen – ein Vergewaltiger kann folglich mit nur drei Tagen bestraft werden. Die Vergewaltigung mit Nötigung (Abs. 2 StGB) sieht nach wie vor eine Mindeststrafe von nur einem Jahr vor. Auch dort stimmten dieselben Kreise, insbesondere SP und Grüne, gegen die sogar vom Bundesrat beantragte Erhöhung auf zwei Jahre. Es blieb also auch hier bei der Symbolpolitik.Viel wichtiger wäre es gewesen, die Minimalstrafe für Vergewaltiger generell auf drei Jahre zu erhöhen. Damit wären die Gerichte gezwungen, die sehr weiten Strafrahmen bei Sexualdelikten auszuschöpfen, statt im untersten Drittel zu bleiben, wozu sie selbst der Bundesrat im Jahr 2010 aufgerufen hatte.Jede Vergewaltigung ist eine Vergewaltigung. Es darf keine «Vergewaltigung light» geben. Doch genau das ist heute der Fall, da eine Vergewaltigung, die «nur» gegen den Willen erfolgt, äusserst mild bestraft werden kann. Für Opfer macht es sehr wohl einen Unterschied, wie der Täter bestraft wird. Kommt er mit drei Tagen davon, ist das angesichts des begangenen Unrechts ein Hohn. Es ist daher angezeigt, die Mindeststrafe generell auf drei Jahre anzuheben. Damit wird auch sichergestellt, dass Vergewaltiger nicht mehr mit bedingten Strafen davonkommen. Für Fälle mit besonderer Grausamkeit (Abs. 3), wo die Höchststrafe 20 Jahre beträgt, ist die Mindeststrafe auf fünf Jahre anzuheben.

Antwort des Bundesrates:

Das Sexualstrafrecht wurde erst kürzlich revidiert; die neuen Bestimmungen sind am 1. Juli 2024 in Kraft getreten (AS 2024 27). Im Rahmen der Beratungen hat das Parlament es ausdrücklich abgelehnt, die einjährige Mindestfreiheitsstrafe bei der Vergewaltigung mit Nötigung (Art. 190 Abs. 2 Strafgesetzbuch [StGB]; SR 311.0) auf eine Mindeststrafe von «mehr als zwei Jahre Freiheitsstrafe» zu erhöhen. Bereits in der Vernehmlassung hatte sich eine Mehrheit für die Beibehaltung der einjährigen Mindestfreiheitsstrafe ausgesprochen. Ausserdem bestätigte das Parlament die dreijährige Mindestfreiheitsstrafe in Artikel 190 Absatz 3 StGB. Es gibt keine Veranlassung, nach so kurzer Zeit auf die getroffenen Entscheide zurückzukommen. Es sprechen aber auch die folgenden Überlegungen gegen die Forderungen der Motion: Seit der Revision fällt nicht nur der Beischlaf, sondern fallen auch beischlafsähnliche Handlungen, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind, unter Artikel 190 StGB. Letztere waren bisher von Artikel 189 aStGB (Sexuelle Nötigung) erfasst worden; dort gab es im Grundtatbestand keine Mindeststrafe. Würde eine Mindestfreiheitsstrafe von drei Jahren eingeführt, würden diese Fälle massiv strenger bestraft als vor der Revision. Mit der Einführung der Ablehnungslösung («Nein-heisst-Nein»-Lösung) fallen ausserdem neu Sexualdelikte unter Artikel 190 StGB, die vorher als sexuelle Belästigungen lediglich mit Busse bestraft werden konnten (Art. 198 StGB). Auch diese würden massiv strenger bestraft als vor der Revision, wenn eine Mindestfreiheitsstrafe von drei Jahren eingeführt würde. Gegen eine gleich hohe Mindeststrafe in Artikel 190 Absätze 1 und 2 StGB spricht, dass diese Tatbestände unterschiedliche Unrechtsgehalte aufweisen: Eine Vergewaltigung mit Nötigung wiegt hinsichtlich Unrecht offensichtlich schwerer als eine Vergewaltigung ohne Nötigung. Eine Abstufung ist somit konsequent und richtig. Die Einführung einer Mindeststrafe in Artikel 190 Absatz 1 StGB bzw. höherer Mindeststrafen in Artikel 190 Absätze 2 und 3 StGB würde das richterliche Ermessen massiv einschränken und eine einzelfallgerechte Beurteilung erschweren. Das hätte konkrete Auswirkungen: Bei so hohen Mindeststrafen ist damit zu rechnen, dass die Gerichte bei der Beweiswürdigung einen strengeren Massstab ansetzen und das Gesetz restriktiver auslegen. Die heutige Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe in Artikel 190 Absatz 2 StGB erscheint dem Bundesrat und dem Parlament verglichen mit anderen Tatbeständen, die ebenfalls eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr vorsehen, angemessen (beispielsweise Totschlag [Art. 113 StGB] oder schwere Körperverletzung [Art. 122 StGB]). Eine Körperverletzung ist schwer, wenn das Opfer beispielsweise lebensgefährlich verletzt oder ein wichtiges Organ oder Glied eines Menschen verstümmelt oder unbrauchbar gemacht wird. Die Umsetzung der Motion würde also eine Schieflage schaffen. Mindeststrafen von drei oder fünf Jahren Freiheitsstrafe gibt es im schweizerischen Strafrecht nur wenige: so in Artikel 111 (vorsätzliche Tötung), 140 Ziffer 4 (qualifizierter Raub), 185 Ziffer 2 (qualifizierte Geiselnahme), Artikel 190 Absatz 3 (qualifizierte Vergewaltigung), 221 Absatz 2 (qualifizierte Brandstiftung), 260ter Absatz 3 (bestimmender Einfluss in einer kriminellen und terroristischen Organisation), 264a ff. (Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Kriegsverbrechen) und 266 Ziffer 2 StGB (qualifizierter Angriff auf die Unabhängigkeit der Eidgenossenschaft). Lediglich bei Mord (Art. 112 StGB) und Völkermord (Art. 264 StGB) gibt es eine noch höhere Mindeststrafe, nämlich 10 Jahre Freiheitsstrafe. Die dreijährige Mindestfreiheitsstrafe für eine Vergewaltigung nach Artikel 190 Absatz 3 StGB zählt also bereits nach geltendem Recht zu einer der höchsten im schweizerischen Strafrecht. Die Mindeststrafen bei der Vergewaltigung sollten im Übrigen nicht isoliert angehoben werden, sondern es müssten auch die Strafrahmen bei weiteren Sexualdelikten (namentlich Art. 189 [sexueller Übergriff und sexuelle Nötigung] und Art. 191 StGB [Missbrauch einer urteilsunfähigen oder zum Widerstand unfähigen Person]), im übrigen Teil des StGB (beispielsweise Art. 122, 264a und 264e StGB) sowie im Militärstrafgesetz (MStG; SR 321.0) überprüft werden. Diese aufwendige Arbeit hat das Parlament im Rahmen der Beratung des Bundesgesetzes über die Harmonisierung der Strafrahmen gemacht. Dieses Gesetz ist am 1. Juli 2023 in Kraft getreten.Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.

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