Das Bundesgesetz über die Ausländerinnern und Ausländer und über die Integration (AIG, SR 142.20) sei wie folgt zu ändern:Art. 83 Abs. 4Der Vollzug ist nicht zumutbar, wenn Ausländerinnen oder Ausländer wegen Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt oder medizinischer Notlage im Heimat- oder Herkunftsstaat konkret gefährdet sind.
Grund des Vorstosses:
Die vorläufige Aufnahme ist eine Ersatzmassnahme, wenn der Vollzug einer Aus- oder Wegweisung nicht durchführbar ist. Die vorläufige Aufnahme stellt keinen selbständigen Aufenthaltstitel dar; die Ausreisepflicht bleibt bestehen. Das AIG sieht drei Vollzugshindernisse vor: Unzulässigkeit, Unzumutbarkeit oder Unmöglichkeit des Vollzugs einer Aus- oder Wegweisung. Für eine Wegweisung können diverse Gründe ausschlaggebend sein. In den meisten Fällen werden Ausländer aus der Schweiz weggewiesen, weil ihr Asylgesuch abgelehnt worden ist. Die Ausweisung scheitert oft daran, dass die zuständigen Behörden – v.a. das Staatssekretariat für Migration (SEM) und die Gerichte – die Ausschaffung für unzumutbar erklären. Unzulässige oder unmögliche Ausweisungen machen nur rund 10% der Fälle aus.Die Unzumutbarkeit wird in Art. 83 Abs. 4 AIG dahingehend formuliert, dass “Situationen wie Krieg, Bürgerkrieg, allgemeiner Gewalt und medizinischer Notlage” vorliegen müssen, die zu einer konkreten Gefährdung der betreffenden Person führen. Tatsächlich werden aber weniger als die Hälfte der vorläufigen Aufnahmen aufgrund der im Gesetz erwähnten Situationen ausgesprochen. Das SEM und die Gerichte haben den Katalog möglicher Unzumutbarkeitskriterien stark erweitert – um Punkte notabene, die nicht im Gesetz genannt sind. Die aktuelle Formulierung der Bestimmung mit den Ausdrücken «kann» und «in Situationen wie» führt dazu, dass die nachfolgende Aufzählung (Krieg, Bürgerkrieg, allgemeine Gewalt und medizinische Notlage) nur exemplarisch und nicht abschliessend zu verstehen ist. Daher wird heute die Aus- oder Wegweisung von mehr als der Hälfte der ausreisepflichtigen Personen deshalb als unzumutbar beurteilt, weil sie z.B. im Heimatland über kein ausreichendes Beziehungsnetz verfügen, allfällige Verwandte zu wenig Wohnraum oder Geld haben, um die ausreisepflichtige Person unterzubringen, zu wenig Arbeit da ist, der Abgewiesene keine gute Ausbildung hat usw. usf. Fazit: Ein substantieller Teil der Rückschaffungen von abgewiesenen Asylbewerbern scheitert daran, dassdiese in ihrem Herkunftsstaat keine günstigen individuellen Umstände (z.B. vermögende Familie, gutes Beziehungsnetz oder attraktive Arbeitsstellen) vorfinden. Aufgrund der oben erwähnten offenen Formulierung von Art. 83 Abs. 4 AIG war es für Behörden und Gerichte möglich, neben der eigentlichen Bestimmung weitere «weiche» Kriterien einer «individuellen Unzumutbarkeit» zu entwickeln und so die Zahl der vorläufig aufgenommenen Personen immer weiter zu erhöhen. Durch eine restriktive Formulierung, welche die im Gesetz genannten Kriterien abschliessend versteht, könnten gegen die Hälfte aller vorläufigen Aufnahmen verhindert werden. Eine Beschränkung der Unzumutbarkeitskriterien auf die im Gesetz genannten Situationen Krieg, Bürgerkrieg, allgemeine Gewalt und medizinische Notlage wäre zudem im Einklang mit den geltenden internationalen Übereinkommen in diesem Bereich. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass z.B. der Kreis der Personen, welche in der EU sog. “subsidiären Schutz” erhalten, enger gefasst ist als die Regelung der vorläufigen Aufnahme.
Antwort des Bundesrates: