20.243719 Mehr Effizienz in der Asyljustiz durch mündliche Urteilseröffnungen

Grund des Vorstosses:

Das BVGer hat im Jahr 2023 im Asylbereich gut 4’000 Beschwerden erledigt. Davon wurde etwa die Hälfte nicht im regulären Dreierspruchkörper, sondern durch einen Einzelrichter mit Zustimmung eines zweiten Richters behandelt (vgl. Geschäftsbericht BVGer 2023). Dies, weil über 90% dieser gut 2’000 Beschwerden gemäss Art. 111 Bst. e AsylG «offensichtlich unbegründet» waren. Die entsprechenden Urteile werden dann nur noch «summarisch» begründet (Art. 111a Abs. 2 AsylG). Dennoch binden gerade diese chancenlosen Fälle sehr viele Ressourcen, weil auch für sie jeweils ein Urteil mit durchschnittlich mehr als 10 Seiten geschrieben wird. Es gibt keine gesetzliche Grundlage, welche es dem BVGer erlaubt, solche und andere Verfahren mittels mündlicher Urteilseröffnung und -begründung zu erledigen. Dies im Unterschied zu kantonalen Verwaltungs-, Zivil- und Strafgerichten, welche dadurch viele Fälle schnell und ohne grossen schriftlichen Aufwand abschliessen können. Dies wäre ganz im Sinne einer Beschleunigung der Asyljustiz, welche seit Jahren mehr als 2’000 pendente Fälle vor sich herschiebt.Anwälte berichten, dass Urteile von Klienten kaum gelesen werden. Wenn man als Richter eine Wirkung erzielen wolle, müsse man das mit einer mündlichen Urteilseröffnung tun – was in der Strafjustiz regelmässig gemacht wird. Im Asylbereich dürften Urteile noch viel weniger gelesen werden, weil die wenigsten Asylsuchenden das Urteil sprachlich verstehen können.Die mündliche Eröffnung würde den Zugang zur Justiz verbessern. Sie könnte konzentriert in den Bundesasylzentren erfolgen, wo auch Dolmetscher vorhanden sind. Mit Blick auf den beabsichtigten Effizienzgewinn empfiehlt sich zudem, bei mündlich eröffneten und begründeten Urteilen den Verzicht auf schriftliche Begründung zu ermöglichen, sofern diese innert Frist nicht verlangt wird. So wie das im Zivil- und Strafprozess (Art. 239 ZPO; Art. 82 StPO) und in kantonalen Verwaltungsprozessen der Fall ist, z.B. mit Art. 29 Abs. 2 i.V.m. Art. 80 Abs. 2 VVRG/VS oder Art. 84a VRPG/BE.

Antwort des Bundesrates:

Das Verwaltungsverfahren und damit auch das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVGer) sind in der Schweiz grundsätzlich schriftlich. Artikel 34 Absatz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVG, SR 172.021) bestimmt, dass Verfügungen den Parteien schriftlich eröffnet werden. Dies gilt nicht nur für das Asylverfahren, sondern für das gesamte Verwaltungsverfahren. Die Schriftlichkeit soll Klarheit über den Inhalt eines Entscheids geben und dient der Rechtssicherheit. Zudem hält sie den Willen der urteilenden Behörde beweissicher fest. Die schriftliche Begründung ist darüber hinaus ein Element der Qualitätssicherung und dient als wichtige Grundlage für die Bildung der Rechtspraxis. Zudem macht sie die Justiz transparent und nachvollziehbar.  Im Beschwerdeverfahren hat das Gericht in erster Linie eine überprüfende Aufgabe. Der Sachverhalt wurde in der Regel von der Vorinstanz abgeklärt und Beweise wurden bereits erhoben. Die oberen Instanzen stützen sich auf das erstinstanzliche Verfahren. Das gilt insbesondere auch wenn ein Verfahren offensichtlich begründet bzw. offensichtlich unbegründet ist.  Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass selbst bei einer mündlichen Urteilseröffnung eine schriftliche Begründung nachgeliefert werden muss, sollte dies eine Partei verlangen. Dies wird insbesondere dann der Fall sein, wenn das Urteil des BVGer an Organe wie den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte oder an Vertragsorgane der Vereinten Nationen (UN) weitergezogen wird. Ein allfälliger Ressourcen- und Effizienzgewinn aus der mündlichen Urteilseröffnung würde damit zunichte gemacht werden.  Eine Beschleunigung des Beschwerdeverfahrens bei offensichtlich begründeten oder offensichtlich unbegründeten Beschwerden wird vielmehr durch die bereits heute bestehende Regelung der einzelrichterlichen Zuständigkeit mit der Zustimmung eines Zweitrichters oder einer Zweitrichterin ermöglicht (vgl. Art. 111 Bst. e Asylgesetz [AsylG, SR 142.31]). Ferner ist festzuhalten, dass es dem BVGer bereits heute gemäss Artikel 111abis Absatz 1 AsylG offensteht, in Beschwerdeverfahren gegen Nichteintretensentscheide, die im beschleunigten oder im Dublin-Verfahren ergangen sind, in den Bundesasylzentren Instruktionsmassnahmen mündlich durchzuführen, wenn dadurch der Beschwerdeentscheid rascher gefällt werden kann. Das Urteil kann in diesen Fällen mündlich eröffnet werden (vgl. Art. 111abis Absatz 2 AslyG). Der Bundesrat beantragt die Ablehnung der Motion.

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